Wolfgang Müller ist als „Elfenexperte“ bekannt, nicht zuletzt durch seine Auftritte bei Andreas Türck oder bei Pastor Fliege. In „Die Elfe im Schlafsack“ arbeitet Wolfgang Müller mit Gestalten der isländischen Mythologie und entführt sie in die heutige Zeit. So ist von einem Handelskrieg unter Zwergen zu lesen, von arglosen Studenten, die Elfen ins Ausland entführen, vom Odinshühnchen, das die Geschlechterrollen in Frage stellt und von einem männlichen Wasserfallnymph, der sein Coming Out in warmen Quellen erlebt. Komplettiert wird das Buch durch eine Zitatensammlung, in der sich prominente Isländerinnen und Isländer zu ihrem Verhältnis zu Elfen und Zwergen äußern.
Diese Ausgabe des Buches ist vergriffen. Allerdings ist der Titel lieferbar, in der 5. überarbeitete Ausgabe, und zwar hier.
Fast scheint es, als käme Müller jedes Zeugnis recht, um damit das Unfassbare seiner Ausführungen zu unterfüttern. Dafür spricht auch das Elfenglossar am Ende des Buches, aus dem man erfährt, dass sogar der Exgeneralsekretär der Sozialistischen Partei Islands an Trolle glaubt. Besser noch sagt es Úlfur Hródólfsson: „Wenn wir also wieder Möglichkeiten zulassen, können wir auch wieder mehr entdecken.“ Diese Maxime passt in Müllers Konzept: Dauernd gibt es kleine Türen hinter Büschen, durch die man von der einen Welt in die andere gelangt, sind die Übergänge auch im Sprachraum des Erzählens fließend. Das Gespräch über sexbesessene Zwerge entwickelt sich fast nebenbei nach dem Besuch des einzigen Lederschwulenclubs in Reykjavík, es ist quasi die Weiterführung des Begehrens mit den Mitteln der Literatur. Offenbar bleibt in der Einöde Islands nichts als Imagination übrig, wenn es bei Müller sogar über den „nördlichsten Darkroom der Welt“ heißt: „Er wird jedoch nur selten benutzt. Man kennt sich halt recht gut im dünnbesiedeldsten Land Europas.“ Je einsamer und monotoner die Gegend, desto überkochender werden die Fantasien. Nach diesem überaus romantischen Prinzip scheint sich Müller bei seinen Islanderkundungen vorzuarbeiten. Manchmal helfen ihm auch einheimische Bekannte weiter, wie etwa Marta, die sich in einer Episode an die alten Zwergenkriege erinnert, nachdem sie zuvor noch gelangweilt in Erotikmagazinen geblättert hatte. Nun erfährt man von ihr, wie sich die Süd- und Nordvölker mit Tarnmützen bewaffneten, um dann in der Schlacht festzustellen, dass die Unsichtbarkeit für beide Seiten keinen Vorteil, sondern bloß Probleme brachte. Das ist eine glaubhafte Sage angesichts der wirren Realität, in der die USA mit camouflierten Elitetruppen versteckte Taliban jagen.
Harald Fricke / TAZ
Wo andere das Wagnis eines Blicks über den Tellerrand komplikativ eruieren, springt Müller schon längst vom gedeckten Tisch und freut sich über die amüsanten Begegnungen von Mensch und Sagenvolk. Dabei vermittelt er unaufdringlich Informationen, die eben nicht in jedem Reiseführer aufgelistet werden, und hüpft sprachlich zwischen isländischen Ortsnamen und in Deutsch gehaltenen Seitenhieben auf (von uns geförderten?) Kommerz-Kulten wie Plastik-Wikinger und Island-Pulli hin und her. Die vier Geschichten lassen sich dank zeitgenössischer Ausstattung auch in der Straßenbahn problemlos lesen und verbinden Mythen und Moderne auf liebenswerte und ironische Weise. Ebenso lustig wie aufschlussreich und überlegenswert sind die von Müller gesammelten Zitate der Isländer zum Thema „Verborgenes Volk“, die er in einem kleinen „Elfen-ABC“ am Ende des Buchs zusammen gefasst hat. Ein kurioses Schriftstück, in dem für wagemutige Island-Freunde mehr steckt, als es auf den ersten Blick vermuten lässt.
Holterdipolter
Wolfgang Müller [...] befasst sich in „Die Elfe im Schlafsack. Neue Märchen und Fabeln aus Island“ in einer klassisch sagenhaften Erzählweise genau mit den Themen, die auch kritisch betrachtet werden möchten. Sexualität unter Gleichgeschlechtlichen, darin verborgene Fantasien und ihre Wirklichkeiten, die Frage der Geschlechterrollen, eingepackt in den Deckmantel der Fabelwesen Islands. In vier kurzen Erzählungen formt er das tatsächliche Bild einer Insel und erklärt anhand eines Handelskrieges zwischen nördlichen und südlichen Zwergen ihre Entstehung. Dabei bleibt der als Elfenexperte bezeichnete Wolfgang Müller so nah wie möglich am Wesen der Landessprache, wirft dem Leser jedoch keine unverständlichen Wortbrocken vor die Füße.
Guide / Lisutschka
„Ich schätze sehr, was Müller macht“, sagt Ingimundur Sigfússon, isländische Botschafter in Deutschland. Dem kann man sich anschließen.
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