Während sich Leserschaft und Kritik immer noch an Brechts vollendeten Werken orientieren, ist aus der Perspektive des Archivs von seiner schriftstellerischen Arbeit kaum etwas fertig. Auch die Brechtforschung hat sich bisher unzureichend mit dem Unfertigen beschäftigt und unterscheidet oft scharf zwischen dem ganzen Stück und dem Fragment. Der vorliegende Band stellt die Frage, ob diese Differenz aufrechterhalten werden kann, und zwar anhand von Lyrik, Film, Notizbüchern, Stücken und Theatermodellen. Hierbei wird deutlich, dass für Brecht Unfertigkeit kein Scheitern war. Die kollektive Erstellung vieler Texte und Aufführungen, ihr experimenteller Charakter und ihr unbedingter Bezug auf die Geschichte und Gesellschaft machen Unfertigkeit zum Erfordernis. Damit entsprechen diese Arbeiten der doppelten Zeitlichkeit des Fragments, das immer beides ist: Ruine und Entwurf.
Mit Beiträgen von Ramona Mosse, Tom Kuhn, Martin Kölbel, Ulrich Plass, Iliane Thiemann, Stefanie Diekmann, Claudia Bosse, Michael Wehren und Melanie Albrecht.
Inhalt
ZUR EINFÜHRUNG
Astrid Oesmann und Matthias Rothe
»SEINE ABFÄLLE SAMMELTE ER MIT EHRFURCHT.«
Bertolt Brechts Arbeit in den Notizbüchern am Beispiel des »Gösta Berling«
Martin Kölbel
EIN KINO, DAS ZUM ANTHOLOGISCHEN NEIGT
»Kuhle Wampe« (Dudow, Ottwalt, Brecht, Eisler; Deutschland 1932)
Stefanie Diekmann
FRAGMENT UND MODELL
Brechts Theaterästhetik der Zukunft
Ramona Mosse
(BRECHT-)FRAGMENTE ÜBERSETZEN
Matthias Rothe im Gespräch mit Tom Kuhn, Charlotte Ryland und Phoebe von Held
(BRECHT-)FRAGMENTE INSZENIEREN
Stefanie Diekmann im Gespräch mit Claudia Bosse, Melanie Albrecht und Michael Wehren
FRAGMENT UND KLASSISCHE FORM
Brechts Umarbeitung des Kommunistischen Manifests
Ulrich Plass
GEDICHTE – FRAGMENTE
Tom Kuhn
FRAGMENTE IN LAUFENDEN METERN
Ein (fragmentarischer) Streifzug durch das Bertolt-Brecht-Archiv
Iliane Thiemann
Zu den Beitragenden
Bildnachweis