Herausgegeben von Mirjam Knapp, Rolf Bossart und Eva Bertschy
Seit über 20 Jahren verwandelt ein Bürgerkrieg ein Gebiet von der Größe Westeuropas in die Hölle auf Erden: Der Kongokrieg ist seit dem Zweiten Weltkrieg der opferreichste Konflikt überhaupt. Längst geht es nicht mehr um ethnische Gegensätze, sondern vor allem um die Kontrolle über Rohstoffe. Die Toten gehen in die Millionen, die Täter bleiben straffrei. Im Sommer 2015 realisierte Milo Rau mit seinem Team „das ambitionierteste politische Theaterprojekt, das je auf die Bühne kam“ (The Guardian). Er lud im Kriegsgebiet Opfer, Milizionäre, Regierungsvertreter, Oppositionelle, Unternehmer und Vertreter internationaler Organisationen zum „Kongo Tribunal“.
Dieser Band bietet einen umfassenden Überblick zum „größenwahnsinnigsten Kunstprojekt unserer Zeit“ (Radio France Internationale). Im Buch versammelt sind die wichtigsten Zeugenaussagen, Statements der internationalen Jury (u. a. der Afrika-Korrespondentin Colette Braeckman, der Menschenrechtlerin Saran Kaba Jones, des Snowden-Anwalts Wolfgang Kaleck, der Soziologin Saskia Sassen, des Politikers und Künstlers Marc-Antoine Vumilia und des Gewaltforschers Harald Welzer), Reden, Interviews und Rechercheberichte von Milo Rau, die Plädoyers der Richter sowie die wichtigsten Analysen und Presseberichte.
Die reale Machtlosigkeit der Kunst verwandelt sich so in eine erstaunlich effiziente Technik der Wahrheitsfindung. Beim Gerichtsprozess, dessen Befragung und dessen Ausgang offen sind, kommen alle Beteiligten zu Wort. […] Mit gründlich erörterten lokalen Einzelfällen lassen sich grosse Zusammenhänge kenntlich machen. Nichts geschieht ohne Grund – und alles hängt mit allem zusammen. Von stinkenden Massengräbern und vergifteten Böden führt ein direkter Weg zum Smartphone in meiner Hand.
Daniela Janser / WOZ
Präsentiert wird ein erschütterndes Tableau von Verflechtungen und AkteurInnen: So stehen nicht nur die Rebellengruppen oder Beamte des kongolesischen Staates im Mittelpunkt, auch die internationale Gemeinschaft, multinationale Rogstoffkonzerne und die Weltbank werden an den Pranger gestellt. Auch wenn die Analysen mehr in die Tiefe gehen dürften, so schafft Milo Rau es just mit dieser Dichte, die verschiedenen Teile des jahrelangen Krieges zusammenzufügen und so ein Abbild seiner Komplexität und zahlreichen Verbindungen, auch zum europäischen Alltag, herzustellen. Obwohl nicht rechtskräftig, ist „ Das Kongo Tribunal“ doch ein schlagkräftiges Stück politisches Theater, das seine Spuren hinterlassen wird.
Clea Wanner/ProgrammZeitung
Neben der Lektüre des Buchs sei auch der gleichnamige Dokumentarfilm empfohlen, den Rau über das Tribunal drehte und der die Texte nachdrücklich unterstreicht.
Wolfgang Hippe / Kulturpolitische Mitteilungen