Dresden, imaginiert als die schöne, unschuldige Kunst- und Kulturstadt, ist das deutsche Opfernarrativ schlechthin – unnötig bombardiert, kurz vor Ende des Krieges mit »Hunderttausenden Toten«. Die alliierten Luftangriffe vom 13. bis 15. Februar 1945 bilden einen festen Bezugspunkt der Erinnerung und des Gedenkens in Dresden. Durch die Jahrzehnte war die Stadt Kulminationspunkt und Ausdruck jeweils aktueller Geschichtspolitik. Sie präsentiert sich als Symbol für Frieden und Versöhnung und inzwischen sogar für wahrhaftiges Erinnern gegen geschichtsrevisionistische Nazis. Nicht zuletzt aufgrund des jährlichen Naziaufmarsches werden nun Mythen hinterfragt, Fakten erforscht und die nationalsozialistische Geschichte Dresdens benannt. Aber reicht das? Muss nicht vielmehr das Gedenken selbst abgeschafft werden? Dieser Band sagt: ja!
Die hier versammelten Texte geben einen Überblick über Inhalte und Entwicklungen des Dresdner Gedenkens und liefern eine grundlegende Kritik an diesem sowie an aktueller deutscher Erinnerungspolitik.
Mit Beiträgen von Mathias Berek, Henning Fischer, Claudia Jerzak, Antonia Schmid, Swen Steinberg, Gunnar Schubert, Andrea Hübler, Antifa Recherche Team, Philipp Kurz, Sophie Abbe, René Haase, Heike Ehrlich/Kathrin Krahl, Radiokollektiv Volume Mascara Murmansk, Gruppe Keine Versöhnung mit Deutschland, venceremos, LeA.
Hier geht es zu der englischsprachigen Website des Buches: abolishcommemoration.org
Der Beitrag von Christine Künzel, »Schlachthof Dresden: Literarisches Erinnern bei Kurt Vonnegut und Jonathan Safran Foer – zwischen Satire und Kitsch« wurde für die oben verlinkte englische Ausgabe geschrieben und unternimmt eine kritische wissenschaftliche und literarische Analyse der beiden amerikanischen Romane, in denen die Zerstörung Dresdens eine zentrale Rolle spielt – der 1969 erschienene Bestseller »Slaughterhouse-Five oder Der Kinderkreuzzug« und Jonathan Safran Foers »Extrem laut und unglaublich nah« von 2005.
Download als PDF in deutscher Sprache: Schlachthof Dresden: Literarisches Erinnern bei Kurt Vonnegut undJonathan Safran Foer – zwischen Satire und Kitsch
INHALT
Vorwort
Werkzeug Erinnerungskultur
Die Funktionen des kollektiven Gedächtnisses
Mathias Berek
FOKUSSIERT
Im Kielwasser
Der Mythos Dresden und der Wandel der deutschen Nationalgeschichte
Henning Fischer
„Während des Angriffs beobachteten wir, wie die Bomben wie Manna vom Himmel fielen.“
Interview mit Olga Horak
audioscript Dresden
„Da seht ihr`s, jetzt wisst ihr`s“
Friedenspolitische Initiativen im Gedenken an die
Bombardierungen Dresdens seit 1980
Claudia Jerzak
One Nation on the Screen
»Dresden«, filmisches Erinnern und deutsch-deutsche Geschichtspolitik
Antonia Schmid
Frauenkirchen-Mania
Über die Frauenkirche, den Dom zu Dresden und den Wiederaufbau
Philipp Klein
Nicht Gedenkort, sondern Lernort
Was der Dresdner Heidefriedhof erzählt und erzählen könnte
Swen Steinberg
Dresdner Denkmal-Stories
Widersprüche zwischen Wiederaufbau und Opferidentität
Philipp Klein
Dresden Christ Superstar
Eine Farce in fünf Akten
Andrea Hübler
Dresden ruft
Wie einer der größten europäischen Naziaufmärsche entsteht
Antifa Recherche Team Dresden
Gedenken per Gesetz
Das neue Sächsische Versammlungsgesetz
Antifa Recherche Team Dresden
Zum Turme hebt es, zum Turme strebt es
Gunnar Schubert
CHRONOLOGISCH
„Plötzlich“, „Unerwartet“, „Sinnlos“?
Dresden im Nationalsozialismus
René Haase
„Gestern Dresden, heute Korea, morgen die ganze Welt“
Anfänge und Entwicklung einer ideologischen Ausrichtung des 13.-Februar-Gedenkens in der SBZ und der DDR
Sophie Abbe
Aus alt mach neu
Das Dresden-Gedenken im vereinten Deutschland
Andrea Hübler
AKTIVISTISCH
Provokation als Mittel: „Wir danken den Alliierten für die Zerschlagung Nazideutschlands“
Teile der sogenannten Gruppe venceremos
„Lieber eine Bombe auf den Kopf als nach Auschwitz …“
Aktion des Antifa Recherche Team Dresden am 13. Februar 2000
Antifa Recherche Team Dresden
„Es sollte eine Provokation sein, die dazu führte, dass die Leute mal darüber
nachdenken, was hier eigentlich gerade abläuft in Deutschland.“
Interview mit Krischan, einem Vertreter des Antinationalen Plenums Hamburg
Judith Lauer (Autorinnenkollektiv)
„Auch weil niemand um Verzeihung bat. Die Geschichte des Pardons ist in Auschwitz zu Ende gegangen.“
audioscript zur Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Dresden 1933–1945
Heike Ehrlich/Kathrin Krahl
Der Denkmalswettbewerb des Radiokollektiv Volume Mascara Murmansk RVMM
Ausgerechnet Geschichtsrevisionismus?
Gruppe Keine Versöhnung mit Deutschland
Warum in Dresden mehr stattfindet als ein Naziaufmarsch, und warum mehr getan werden muss, als diesen zu verhindern
Leipziger Antifa (LeA)
DOKUMENTIERT
Chronologie der Proteste
Plakate und Transparente
Autorinnenverzeichnis