Zahlreiche Zeitdiagnosen kreisen um den gemeinhin unerwarteten Aufstieg autoritärer Parteien und Bewegungen, der gegenwärtig weltweit zu beobachten ist. Knüpft man indes an die Erkenntnisse der frühen Frankfurter Schule zum autoritären Charakter an, so überrascht die Attraktivität der neuen „falschen Propheten“ keineswegs. In rund 20 Aufsätzen diskutieren die Autorinnen und Autoren dieses Sammelbandes das Erklärungspotenzial einer psychoanalytisch informierten kritischen Theorie des Autoritarismus angesichts veränderter gesellschaftlicher Bedingungen.
Mit Beiträgen von Jens Benicke, Simon Dämgen, Ingo Elbe, en arrêt! Berlin, Jan Gerber, Maurits Heumann, Christine Kirchhoff, Moritz Liewerscheidt, Miriam Mettler, Björn Milbradt, Oliver Nachtwey, Klaus Ottomeyer, Enrico Pfau, Ljiljana Radonic, Lars Rensmann, Samuel Salzborn, Michael Schüßler, Peter Schulz, Karin Stögner, Tom Uhlig, Jan Weyand und Sebastian Winter.
Inhalt
Vorwort des American Jewish Committee Berlin
Lawrence and Lee Ramer Institute for German-Jewish Relations
Vorrede
Katrin Henkelmann, Christian Jäckel, Andreas Stahl, Niklas Wünsch und Benedikt Zopes
GRUNDLAGEN KRITISCHER AUTORITARISMUSTHEORIE
Die Rückkehr der falschen Propheten
Leo Löwenthals Beitrag zu einer kritischen Theorie des autoritären Populismus der Gegenwart
Lars Rensmann
Was begreift der Begriff »Autoritarismus«? Elemente einer Soziologie autoritärer Verhältnisse
Björn Milbradt
Triebökonomie der Zerstörung
Kritische Theorie über die emotionale Matrix der Judenvernichtung
Ingo Elbe
Zur Politischen Psychologie des Antisemitismus
Samuel Salzborn
SPEZIFIKA DER AUTORITÄREN CHARAKTERSTRUKTUR
Das Ende des Antisemitismus
Über das Ticket im autoritären Charakter
Enrico Pfau
Geschlechtsspezifisches zur antisemitischen Schiefheilung des autoritären Charakters
Ljiljana Radonić
»Die vorbildliche deutsche Frau und der echte deutsche Mann«
Sozialpsychologische Überlegungen zu Geschlecht und Autoritarismus als Performanz und Charakter
Sebastian Winter
Die Verdinglichung des Leibes in der präverbalen Phase kindlicher Entwicklung
Primärsozialisatorische Wurzeln des autoritären Charakters
Michael Schüßler
Einen neuen Kosmos entfalten
Über die schlechte Aufhebung der antiautoritären Bewegung
Jens Benicke
ZUR AKTUALITÄT DES AUTORITÄREN CHARAKTERS
Gefühlsbefreiung by proxy
Zur Aktualität des autoritären Charakters
Christine Kirchhoff
The End of the World as we know it
Populismus, Faschismus und historische Erfahrung
Jan Gerber
Der Aufstieg des Nationalismus und die Theorie des autoritären Charakters
Jan Weyand
Autoritärer Charakter und Identitätspolitik
Vom Hass auf Differenz zum Identitätszwang
Karin Stögner
Die Gleichzeitigkeit verschiedener Sozialcharaktere im zeitgenössischen Kapitalismus
Ein soziologischer Beitrag zur Theorie des Sozialcharakters
Peter Schulz
Kein Subjekt. Nirgends?
Autoritärer Charakter, Subjekt und Gesellschaft in der Krise
Simon Dämgen
Stolz und Erhabenheit
Autorität im Zeitalter des Narzissmus
En arrêt! Berlin
ASPEKTE DES GEGENWÄRTIGEN AUTORITARISMUS
Ehrkultur und Weiblichkeit
Zur Rolle der Frau bei der Reproduktion der autoritären Persönlichkeit im Islam
Miriam Mettler
Autoritarismus im Kapitalismus und Neoliberalismus
Klaus Ottomeyer
Aufstehen für die Regression
Elemente der autoritären Linken heute
Tom David Uhlig
Regressive Rebellen
Konturen eines Sozialtyps des neuen Autoritarismus
Maurits Heumann und Oliver Nachtwey
Paternalismus und offene Form
Einige Notizen zum Essay45lm „Jahrhundertwende“
Moritz Liewerscheidt
Autorinnen und Autoren
Herausgeberin und Herausgeber
Umweltschützer, Linker, Kosmopolit – und Gegner der Demokratie: Heutzutage sind manche das alles gleichzeitig. Ein neuer Protesttyp lässt sich beobachten, sagt Oliver Nachtwey. Der Sozialwissenschafter nennt ihn den „regressiven Rebell“.
Oliver Nachtwey im Interview mit Liane von Billerbeck im Deutschlandfunk Kultur
Man ist im Kapitalismus auf der einen Seite allein für sich und sein Glück verantwortlich, gleichzeitig hat man aber keine Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen. Das ist eine enorme narzisstische Kränkung.
Katrin Henkelmann im Gespräch im Freitag
Dieser Band erklärt mithilfe der kritischen Theorie, warum besorgte Bürger und Corona-Leugner mit offensichtlichem Schwachsinn ihren Hass füttern und was man dagegen tun kann.
Thomas Hummitzsch / tip
Das Problem ist: Politikwissenschaftliche Untersuchungen können zwar viel erklären, also beispielsweise, warum zum Zeitpunkt X welche Faktoren möglicherweise einen Aufstieg von bestimmten Parteien begünstigt haben. Oder welche Wählerwanderung es gibt. Aber warum es überhaupt attraktiv ist, autoritäre Parteien zu wählen, das können sie nicht beantworten. Warum wählt eine arbeitslose Person die AfD, obwohl die ein neoliberales Wirtschaftsprogramm vertritt? Das ist eine Frage, bei der die Politikwissenschaft notwendigerweise auf die Soziologie beziehungsweise auf die Psychologie verweisen muss. Der Ansatz der Kritischen Theorie versucht, solch irrationales Verhalten zu verstehen.
Katrin Henkelmann im Gespräch mit Barbara Knopf auf Bayern2
Donald Trump ist ein gutes Beispiel für Autoritarismus. Fünf junge Menschen, haben jetzt ein Buch zum Thema Autoritärer Charakter herausgegeben.
Andreas Stahl im Gespräch mit Josepha Zastrow auf Oldenburg Eins
Eine nach meiner Einschätzung frische und in gewisser Hinsicht auch erfrischende Erklärung dafür, warum so viele Journalisten „mit Rechten reden“ wollen, hält Christine Kirchhoff in der März-Ausgabe von konkret parat (derzeit nicht online). In dem Text, der Ende April in einer längeren Fassung in dem vom Verbrecher Verlag veröffentlichten Band „Konformistische Rebellen. Zur Aktualität des autoritären Charakters“ erscheint, erklärt sie dies unter Bezugnahme auf Freud und Adorno, insbesondere auf den von Letzterem so genannten „Gefühls-Befreiungs-Trick“.
MDR
Insgesamt decken die Aufsätze in „Konformistische Rebellen“ ein enormes Spektrum an Themen und Zugängen ab. Positiv fällt auf, dass die Publikationen der Kritischen Theorie zwar immer die zentrale Referenz sind, die Aufsätze des Sammelbandes sich aber nie in einer ideengeschichtliche Exegese des vor siebzig Jahren Veröffentlichten erschöpfen. „Konformistische Rebellen“ gelingt es, der Frage nach der Aktualität der Studien zum Autoritären Charakter nachzugehen.
Till Schmidt / Versorgerin
Es geht um ein konkretes Problem: Was kann man gegen Antisemitismus und Faschismus tun?
Katrin Henkelmann und Andreas Stahl im Interview mit Ulrich Mathias Gerr vom AStA der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Der autoritäre Charakter ist nicht gänzlich verschwunden. Die Autoren zeichnen seine Transformation genauso nach wie das Weiterwesen oder Absterben bestimmter ihm zugehöriger Dispositionen. Dem vermehrten Übergang in den Sozialtypus des narzisstischen Charakters wird dabei besonders häufig nachgegangen.
Nico Hoppe / Novo. Argumente für den Fortschritt
Nur wer Phänomene wie Autoritarismus und Antisemitismus, Faschismus und Populismus oder Rassismus und Sexismus richtig versteht, kann sie auch wirkungsvoll bekämpfen. Der Band soll einen Beitrag zum richtigen Verständnis leisten. Anknüpfend an dieses Verständnis können dann Strategien zur Bekämpfung entwickelt werden. Insofern hängen die adäquate theoretische Erfassung der Phänomene und ihre effektive praktische Bekämpfung untrennbar zusammen.
Andreas Stahl und Niklas Wünsch im Interview mit dem Anzeiger
Konformistische Rebellen stellt einen gelungenen Anstoß zur Wiederbelebung der Diskussion um die kritische Autoritarismustheorie dar. Erfreulich ist, dass viele Beiträge deren psychoanalytische Grundlage unterstreichen.
Leo Roepert / Soziopolis
In Zeiten des Corona-Rebellentums, in denen unterschiedlichste Gestalten im Modus der Rebellion gegen ein „System“ anrennen, trifft ein Buch über autoritäre Rebellen den Nerv der Zeit.
Andreas Kranebitter / Tagebuch