Judith Schalansky: Schwankende Kanarien
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Ausgehend von Berlin als Anziehungspunkt für und Produktionsstätte von Literat:innen spüren die Autorin Yael Inokai und die Literaturkritikerin und Kulturjournalistin Lara Sielmann in „Berliner Gegenwartsliteraturen“ Themen und Motiven ihrer literarischen Gäst:innen in der Berliner Stadtgesellschaft nach und erweitern diese um filmische, auditive Elemente sowie weiteren Gäst:innen. In der Dezemberausgabe der Reihe ist die Autorin Judith Schalansky mit ihren Büchern „Schwankende Kanarien“ (Verbrecher Verlag, 2023) und „Verzeichnis einiger Verluste“ (Suhrkamp, 2018) zu Gast.
Mehr Infos folgen: www.villa-oppenheim-berlin.de
Judith Schalansky, geboren 1980 in Greifswald, lebt als freie Schriftstellerin und Buchgestalterin in Berlin. Ihre Bücher, darunter der „Atlas der abgelegenen Inseln“ (2009), der Bildungsroman „Der Hals der Giraffe“ (2011) sowie das „Verzeichnis einiger Verluste“ (2018) sind in mehr als 25 Sprachen übersetzt und wurden vielfach ausgezeichnet. Zuletzt 2023 mit dem Wortmeldungen-Literaturpreis für ihren Essay „Schwankende Kanarien“, erschienen im Verbrecher Verlag.
Seit 2013 gibt Judith Schalansky die Reihe „Naturkunden“ und seit 2022 die „Bibliothek Wildes Wissen“ im Verlag Matthes & Seitz Berlin heraus.
Seit 2013 gibt Judith Schalansky die Reihe „Naturkunden“ und seit 2022 die „Bibliothek Wildes Wissen“ im Verlag Matthes & Seitz Berlin heraus.
„Schwankende Kanarien“ (Verbrecher Verlag, 2023)
In ihrem weit ausgreifenden Essay setzt sich Judith Schalansky mit metaphorischen und konkreten Frühwarnsystemen der Menschheit auseinander, die angesichts zunehmender ökologischer Krisen so dringlich wie unzulänglich erscheinen.
Das Bild des Kanarienvogels, dessen plötzliches Verstummen Bergarbeiter einst vor dem Abfall des Sauerstoffgehalts warnte, dient Schalansky als Wegweiser durch das Dickicht des Alarm- und Ausnahmezustands, in dem Wächtertiere die Rolle von lebensrettenden Orakeln übernehmen und Bücher buchstäblich Leben retten können. Welche Begrifflichkeiten, fragt ihr vielschichtiger und fein verästelter Text, welche Erzählmuster und Dramaturgien stehen uns zur Verfügung, um unmittelbares Handeln anzumahnen? Und welche neuen Mythen und Metaphern benötigen wir, um der Erzählung vom Weltende zu widerstehen? Dabei entpuppt sich der sprichwörtliche „canary in the coal mine“ selbst als eine Art Kippbild, mit dem sich immer neue Erkenntnisse und Beobachtungen zu Tage fördern lassen – von der Geschichte des Bergbaus bis zur Entstehung der Umweltbewegung.
In ihrem weit ausgreifenden Essay setzt sich Judith Schalansky mit metaphorischen und konkreten Frühwarnsystemen der Menschheit auseinander, die angesichts zunehmender ökologischer Krisen so dringlich wie unzulänglich erscheinen.
Das Bild des Kanarienvogels, dessen plötzliches Verstummen Bergarbeiter einst vor dem Abfall des Sauerstoffgehalts warnte, dient Schalansky als Wegweiser durch das Dickicht des Alarm- und Ausnahmezustands, in dem Wächtertiere die Rolle von lebensrettenden Orakeln übernehmen und Bücher buchstäblich Leben retten können. Welche Begrifflichkeiten, fragt ihr vielschichtiger und fein verästelter Text, welche Erzählmuster und Dramaturgien stehen uns zur Verfügung, um unmittelbares Handeln anzumahnen? Und welche neuen Mythen und Metaphern benötigen wir, um der Erzählung vom Weltende zu widerstehen? Dabei entpuppt sich der sprichwörtliche „canary in the coal mine“ selbst als eine Art Kippbild, mit dem sich immer neue Erkenntnisse und Beobachtungen zu Tage fördern lassen – von der Geschichte des Bergbaus bis zur Entstehung der Umweltbewegung.
„Das Verzeichnis einiger Verluste“ (Suhrkamp, 2018)
Die Weltgeschichte ist voller Dinge, die verloren sind – mutwillig zerstört oder im Lauf der Zeit abhandengekommen. In ihrem neuen Buch widmet sich Judith Schalansky dem, was das Verlorene hinterlässt: verhallte Echos und verwischte Spuren, Gerüchte und Legenden, Auslassungszeichen und Phantomschmerzen. Ausgehend von verlorengegangenen Natur- und Kunstgegenständen wie den Liedern der Sappho, dem abgerissenen Palast der Republik, einer ausgestorbenen Tigerart oder einer im Pazifik versunkenen Insel, entwirft sie ein naturgemäß unvollständiges Verzeichnis des Verschollenen und Verschwundenen, das seine erzählerische Kraft dort entfaltet, wo die herkömmliche Überlieferung versagt. Die Protagonisten dieser Geschichten sind Figuren im Abseits, die gegen die Vergänglichkeit ankämpfen: ein alter Mann, der das Wissen der Menschheit in seinem Tessiner Garten hortet, ein Ruinenmaler, der die Vergangenheit erschafft, wie sie niemals war, die gealterte Greta Garbo, die durch Manhattan streift und sich fragt, wann genau sie wohl gestorben sein mag, und die Schriftstellerin Schalansky, die in den Leerstellen ihrer eigenen Kindheit die Geschichtslosigkeit der DDR aufspürt.
Die Weltgeschichte ist voller Dinge, die verloren sind – mutwillig zerstört oder im Lauf der Zeit abhandengekommen. In ihrem neuen Buch widmet sich Judith Schalansky dem, was das Verlorene hinterlässt: verhallte Echos und verwischte Spuren, Gerüchte und Legenden, Auslassungszeichen und Phantomschmerzen. Ausgehend von verlorengegangenen Natur- und Kunstgegenständen wie den Liedern der Sappho, dem abgerissenen Palast der Republik, einer ausgestorbenen Tigerart oder einer im Pazifik versunkenen Insel, entwirft sie ein naturgemäß unvollständiges Verzeichnis des Verschollenen und Verschwundenen, das seine erzählerische Kraft dort entfaltet, wo die herkömmliche Überlieferung versagt. Die Protagonisten dieser Geschichten sind Figuren im Abseits, die gegen die Vergänglichkeit ankämpfen: ein alter Mann, der das Wissen der Menschheit in seinem Tessiner Garten hortet, ein Ruinenmaler, der die Vergangenheit erschafft, wie sie niemals war, die gealterte Greta Garbo, die durch Manhattan streift und sich fragt, wann genau sie wohl gestorben sein mag, und die Schriftstellerin Schalansky, die in den Leerstellen ihrer eigenen Kindheit die Geschichtslosigkeit der DDR aufspürt.