9. Juli

Magnetizdat DDR. Magnetbanduntergrund DDR 1979–1990

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Jugendwiderstandsmuseum in der Galiläakirche
9. Juli 2023
19:00

40 JAHRE „DDR VON UNTEN“
Ein Jubiläum, zwei Veröffentlichungen und eine multimediale Buchpräsentation

09. Juli 2023 | Einlass 19 Uhr | Jugendwiderstandsmuseum in der Galiläakirche,
Rigaer Str. 8, 10247 Berlin (Tram 21 und M10 Bersarinplatz, U-Bahn U5 Frankfurter Tor)

Mit: Der Schlagzeuger von Zwitschermaschine (live) feat. Ralf Kerbach (Ur-Zwitschermaschine), Bernd Jestram (Rosa Extra, Aufruhr zur Liebe, Ornament & Verbrechen, Tarwater), Alexander Pehlemann, Ronald Galenza, Robert Mießner (Magnetizdat DDR)

Im Mai 1983 nahm der junge Schauspieler und Musiker Wolfgang Grossmann sich selbst im
Radio auf. Grossmann saß in der DDR, in Eisleben, wo er am Theater engagiert war; die Musik lief im
Rundfunk des Klassenfeindes. Die Sendung „Musik für junge Leute“ auf NDR 1 spielte zwei Stücke
des Split-Albums „eNDe. DDR von unten“ mit der rustikalen Punkband Band Schleim-Keim, getarnt
als Sau-Kerle, und der filigraneren Artpunk-Band Zwitschermaschine. Bei letzterer war Grossmann
seit 1981 Schlagzeuger; das erste Punk-Album der DDR konnte zwei Jahre später, angestoßen von
dem späteren Tresor-Gründer Dimitri Hegemann, in West-Berlin bei Aggressive Rockproduktionen
erscheinen. In die DDR gelangten nur wenige Exemplare. „DDR von unten“ ist zu einem
mythenumrankten und preisintensiven Sammlerstück und 40 Jahre alt geworden. Als dritte Band
sollten auf dem Album noch Rosa Extra vertreten sein, die sich aus dem Projekt nach massivem
staatlichem Druck zurückzogen. Ihre der Staatssicherheit ausgehändigten Titel galten lange als
verschollen.
Die Geschichte von Zwitschermaschine und Rosa Extra ist Teil des 500 Seiten umfassenden
Buches „Magnetizdat DDR. Magnetbanduntergrund DDR 1979–1990“, erschienen im April 2023
im Verbrecher Verlag Berlin, herausgegeben von Alexander Pehlemann, Ronald Galenza und
Robert Mießner. „Magnetizdat DDR“ ist Kulturgeschichte von unten; die Beiträger und Interviewten
erzählen von Literaten, die sich von Bands befeuern ließen, von Musikern, die Barock- und
Experimental-Lyrik entdeckten, von Super-8-Filmern und bildenden Künstlern am Mikrofon, von
einem Geflecht, das international renommierte zeitgenössische Band- und Labelprojekte wie Tarwater,
To Rococo Rot und Raster-Noton hervorbrachte.
Zum Buch ist eine von den Herausgebern kuratierte Dreifach-LP in der Edition Iron Curtain
Radio erschienen, einer Substruktur von Major Label. Die Compilation enthält beispielsweise als
überraschenden Stasi-Archivfund eine der für „DDR von unten“ gemachten Rosa Extra-Aufnahmen
von 1983. Die Berliner Release-Show zum Buch und zur Platte findet an einem historischen Ort statt:
Am 25. Juli 1981 traten Zwitschermaschine und Rosa Extra im Rahmen zweier „Werkstatttage“ in der
evangelischen Galiläa-Kirche in Berlin-Friedrichshain auf. Die Veranstaltungen richteten sich an ein
randständiges jugendliches Publikum, das in der offiziellen DDR-Kulturpolitik keinen Platz hatte, zu
den Konzerten kamen Ausstellungen, Diskussionen und Lesungen hinzu.
Am 09. Juli 2023 wird in der Galiläakirche eine von Wolfgang Grossman initiierte Version
von Zwitschermaschine spielen, die sich den Texten von Michael Rom widmet, Dichter und dritter
Sänger der Band, deren Neuvertonungen mittlerweile als LP veröffentlicht wurden. Zum Konzert wird
der Künstler Ralf Kerbach hinzukommen, der die erst später Zwitschermaschine heißende Band 1980
in Dresden gründete, zusammen mit der Malerin Cornelia Schleime. Die einmalige Konstellation
aus Lyrik und (Post) Punk zeigt der aus damaligen Super-8-Aufnahmen montierte Dokumentarfilm
„Rosa Extra: Extrakte 1980–1984“ von Bernd Jestram, dem Bassisten der Band. Die „Magnetizdat
DDR“-Herausgeber werden mit den Protagonisten über Ost-West-Exporte und Ost-West-Wahrnehmungen
sprechen. Die Frage, ob und wie die DDR kommod war, überlassen die Beteiligten
anderen.