Auch als E-Book in allen einschlägigen Stores erhältlich (Epub / Mobipocket für 14,99 €).
In „Wird Zeit, dass wir leben“ erzählt Christian Geissler mit „balladenhaft-lyrischer Präzision“ (Heinrich Böll) vom Widerstand der Kommunisten gegen die Nazis in Hamburg. Als ob er mitten im Geschehen steckt, begleitet er seine Figuren durch die Kämpfe vor und nach 1933. Er erzählt von Gewalt von oben und Gegenwehr von unten, vom Spannungsverhältnis zwischen Kollektiv und Individuum, zwischen Disziplin und Eigensinn – und zieht den Leser in die immer noch aktuellen Debatten mit hinein.
Schlosser ist Funktionär der KPD. Bis zu seiner Verhaftung bremst er den Eifer der Genossen im Kampf gegen die Nazis, verweigert die Waffen und pocht auf Disziplin. Die Genossen von der Basis aber wollen kämpfen. Kämpfen bedeutet für sie Lust und Leben. Vor allem für Karo, aber auch für Leo, der noch 1930 zur Polizei geht, aber später begreift, dass er auf der falschen Seite steht.
Geisslers Roman basiert auf einer wahren Geschichte: Das Vorbild für Leo war der Hamburger Polizist Bruno Meyer, der Anfang 1935 die Widerstandskämpfer Fiete Schulze und Etkar André aus dem Gefängnis befreien wollte. Detlef Grumbach recherchierte umfassend und erzählt in seinem Nachwort erstmals vom Schicksal Bruno Meyers.
Dieser Roman bildet mit „Das Brot mit der Feile“ und „kamalatta“ Geisslers „Trilogie des Widerstands“.
Es ist nicht nur ein spannendes Dokument für die Bewusstseinslage der Siebzigerjahre, eine politische Archäologie, es geht in seiner ästhetischen Gestaltung weit über diese hinaus: Christian Geissler ist der einzige Autor, den man in die Nähe von Peter Weiss und dessen monumentaler „Ästhetik des Widerstands“ rücken kann.
Helmut Böttiger / Deutschlandfunk
Die hochartifizielle – und dabei auch hochmusikalische – Sprache, ein Amalgam aus Argot, Dokumentarischem und klassischem Erzählstil drängt nach vorn, so dass das Buch ein enormes Tempo hat. […] Das ist eine erregende Leseerfahrung.
Jochen Schimmang / taz
Christian Geissler hörte hin, schaute den Menschen aufs Maul ohne ihnen nach dem Mund zu reden. […] Im ausführlichen und gut recherchierten Essay erzählt Detlef Grumbach die Geschichte hinter dem Roman – im Buch als Nachwort hintangestellt.
Jan Ehlert / NDR Kultur
Mit seiner bisweilen schroffen Sprache, ihren rhythmisierenden Sentenzen, den immer wieder abrupt aneinander gereihten Assoziationen, gelingt es Geissler eine Zeitstimmung zum Klingen zu bringen.
Oliver Tolmein / Gutenbergs Welt – WDR 3
Die extrem hohe Körnung starker, auserzählter Szenen, der große Register an ausdifferenzierten Charakteren und Nebenplots, und die Sprache, als hätte Geissler ein überlanges Gedicht in einen Fließtext verpflanzt, machen den Roman „Wird Zeit, dass wir leben“, ähnlich (und doch ganz anders) wie Peter Weiss‘ „Ästhetik des Widerstands“, zu einem Studienobjekt.
Pat Batemensch / Lower Class Magazine
Pressestimmen zur Erstausgabe aus dem Jahr 1976:
Wie bringt einer fünfzig Personen auf knapp 230 Seiten zueinander, gegeneinander und miteinander in Aktion? Und das ohne den tragenden und gelegentlich trägen Rahmen, der Familienromane und Sagas zusammenhält? (…) Kein Wunder, kein Trick, es ist der Stil, der Aufbau, das Tempo, die balladenhaft-lyrischen Präzision und Konzentration, mit der hier sozialkritisch-realistisch ausführliche Beschreibungen vermieden werden.
Heinrich Böll / Die Weltwoche, 16.3.1977
Das Buch ist politisch – in seiner Ästhetik: keineswegs nur, wo es von Politischem handelt (…), das Buch ist vielmehr auch dort politisch, wo Handeln Sprache, wo die Sprache durch Handeln gesprengt wird – mit sprachlichen Mitteln. Ein politischer Roman also, zugleich hochartifiziell. Ein schwieriges Buch und ein wichtiges.
Martin W. Lüdke / Die Zeit, 12.11.1976
Geissler ist der meiner Meinung nach gegenwärtig einzige Schriftsteller in der Bundesrepublik, der radikale politische und moralische Intentionen zu ästhetischen methodisch in unmittelbare Beziehung setzt. Dieser Roman fällt auch literarisch aus dem Rahmen, ist auch als Roman außerordentlich. Das ist nicht zuletzt begründet in seiner sprachlichen Originalität, die er aus der Alltagssprache der kleinen Leute Kraft holt, sie systematisch auf eine das Konkrete greifende Kunstsprache hin verknappend. (…) Diese literarische Apotheose der Gegengewalt ist mit dem allen keine Apotheose der Gewalt. Sie ist glaubhaft und packend eine Apotheose des Friedens. Nur eben nicht des untertänigen, faulen und falschen Friedens, wie ihn die Nazis in den ersten Jahren ihrer Herrschaft erzwangen.
Heinrich Vormweg / Süddeutsche Zeitung, 9.12.1976
Weder begnügt er sich (…) mit einem reportagehaften Realismus, noch läßt er sich dazu verleiten, über geschlossene Heldenfiguren entlang einer Parteilinie zu schreiben und die Widersprüchlichkeit des politischen Kampfes, der Haltungen, Einsichten und Aktionen zu unterdrücken. (…) Geisslers Buch beschreibt das allmählich sich entwickelnde Verständnis von wenigen, die sich im Bewußtsein ihrer Niederlage, ihres verkürzten und verstümmelten Daseins mit einer Aktion den Weg ins Freie verschaffen.
Wilfried F. Schoeller / Frankfurter Rundschau, 18.9.1976
Geissler hat seinen Stoff ausführlich recherchiert, in sein Buch sind Dutzende von Lebens-, Aktions- und Kampfberichten alter Genossen eingegangen, die sinnlich und anschaulich alle Aspekte eines Lebens schildern, das keins ist und so verzweifelt intensiv eins werden möchte: eins das Sinn hat, Spaß macht und lohnt.
Yaak Karsunke / konkret, 01 – 1977