Das Buch schildert den Fall des Berliner Lehrers, Kritikers und Theaterwissenschaftlers Hans Knudsen (1886–1971). Als treuer Schüler und Assistent des Berliner Gelehrten Max Herrmann leistet der aus der ostpreußischen Provinzstadt Posen stammende Knudsen wesentliche Mitarbeit bei der Gründung des ersten Theaterwissenschaftlichen Instituts an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Hier werden zukünftige Regisseur:innen, Dramaturg:innen und Kritiker:innen historisch, theoretisch und praktisch geschult. 1933 wird Herrmann als Jude aus der Universität gedrängt. Knudsen hingegen dient sich als Theaterkritiker dem NS-Kulturapparat an. Als Mitarbeiter der Reichsdramaturgie und Schriftleiter der Zeitschrift Die Bühne setzt er an verantwortlicher Stelle das von Goebbels erlassene Kritikverbot um. Während Herrmann 1942 im KZ Theresienstadt stirbt, wird Knudsen für sein Engagement mit einer sogenannten Führer-Professur für Theaterwissenschaft belohnt. Nach erfolgreicher Entnazifiizierung gehört er 1948 zu den Gründungsprofessoren der Freien Universität Berlin im Westsektor der Stadt. Zahlreiche Studierende durchlaufen in der jungen Bundesrepublik eine Ausbildung bei dem als »Theaterprofessor« bekannten Knudsen. Kaum ein Theater, kaum eine Zeitungs-, Radio- oder Fernsehredaktion in Westdeutschland ohne Knudsen-Schüler:innen. Mitte der 1960er Jahre setzt eine öfffentliche Auseinandersetzung über den »Fall Knudsen«, über Opportunismus und Karrierismus von Funktionseliten der NS-Zeit in der BRD ein.
Auf der Folie der Karriere Hans Knudsens fragt dieses Buch nach der politischen und gesellschaftlichen Funktion einer Wissenschaft vom Theater in Weimarer Republik, NS-Diktatur und Bundesrepublik. Dabei geht es unter dem Leitmotiv der Treue und Gefolgschaft um eine Kontinuitätsgeschichte anti-modernen und antisemitischen Gedankenguts in den Geisteswissenschaften.
Wissenschaft aus Gefolgschaft. Der Fall Knudsen und die Anfänge der Theaterwissenschaft
28,00 €
Broschur, 312 Seiten, zahlreiche Abbildungen
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Die Studie des Berliner Theaterwissenschaftlers Jan Lazardig beschreibt sachlich und bestens lesbar eine teils unglaubliche Berliner Theatergeschichte.
Detlev Baur / Die deutsche Bühne
Mitläufer – das war das knappe Fazit des Rezensenten zu Hans Knudsen bisher und es deckte sich wahr-scheinlich mit jenem anderer fachgeschichtlich inte-ressierter Forscher*innen, die leicht erreichbare Schrif-ten Knudsens aus der Nachkriegszeit zur Kenntnis genommen haben. Jan Lazardzigs tiefgreifende Unter-suchung korrigiert dieses Bild gründlich.
Andreas Kotte / rezens.tfm
Jan Lazardzig will mit seiner Publikation Hans Knudsen keine Bühne schaffen. Sein Anliegen ist […] die geistige Nähe Knudsens zu den Ideen der Nationalsozialisten herauszuarbeiten und die Folgen, die dies im Laufe der Geschichte zeitigt, zu analysieren.
Stephan Dörschel / Theater der Zeit
Jan Lazardzig im Interview mit Leander Badura im Freitag