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Blog

von Aras Ören

 

Heute Nacht vor eurer Tür –
wer hat da solchen Lärm gemacht?
Das bin wohl ich gewesen. In meiner Kehle alle Lieder
Haci Arifs
und zwischen meinen Beinen dieser Vogel, der
laut zwitscherte und gar nicht fliegen wollte –
ich hatte wohl zu tief ins Glas geschaut.

Verzeiht, was haben jene alten Tage so spät noch
in eurer Ruhe zu suchen

Nomadenzelte, rotwangige Knaben,
die Frauen breit gebaut und stark,
der krumme Dolch nur in der Scheide friedlich,
die Kesselpauke schlägt, die Federbüsche
wippen im Wind, die Hufe klappern,
nach Westen, nur nach Westen,
geht der Sturm, ein Liebesrausch,
der uns an die Wand genagelt hat,
doch immer noch tun uns vom Laufen
die Füße weh, auch wenn wir uns
nicht von der Stelle rühren,
und die Laute hört nicht auf zu spielen –

verzeiht, was haben jene alten Tage so spät noch
vor eurer Tür zu suchen

es war eine Hoffnung, ein wenig von fern,
ein wenig von früher, aber immer von neuem …
Die Müdigkeit hing in unserem Schnurrbart,
wir brachen auf und wanderten weiter,
ohne zu wissen, dass Zeit vergeht,
wir glaubten, da sind nur wir.
Ein Duft von Fladenbrot, von Kebab aus der Steppe …

Verzeiht, was hat ein ferner Erdteil
hier vor eurer Tür zu suchen.

Zu dieser Stunde dieser Lärm, und ihr wolltet schon
einschlafen …
Auch wir sind mit dem Vorgefundnen nicht zufrieden.
Wie wenn man Kindern einen Lutscher kauft
und sie zur Ruhe bringt, so halten wir
ein Stückchen bunte Hoffnung in der Hand,
und wollen immer mehr.
Was fehlt uns denn?

Das Bewusstsein, ein Volk zu sein? Was haben wir
damit zu schaffen,
werdet ihr sagen, der Bauch ist voll,
der Rücken gerade, auch wenn
nicht alles vollkommen ist.

Verzeiht, was hat dieser Lärm
hier vor eurer Tür zu suchen.

Dieser Lärm,
dieser Erdteil,
diese alten Tage,
was haben sie
vor eurer Tür zu suchen.

Ihr Nachbarn alle zusammen,
verzeiht mir.

 

Aus dem Band „Mitten in der Odyssee. Gedichte“, erschienen im Claassen-Verlag, Berlin 1980. Aus dem Türkischen übersetzt von Gisela Kraft.